Station 3 | Manhagener Allee

Gedenkstättenfahrt des Roten Stern Kickers aus Ahrensburg nach Krakau und Auschwitz vom 9. bis 14. Oktober 2019

Zunächst mag es nicht besonders naheliegend erscheinen, als Sport- und in erster Linie Fußballverein eine Gedenkstättenreise zu unternehmen. Wir haben uns dennoch dafür entschieden, weil gerade die freundschaftliche Verbundenheit, der niedrigschwellige Zugang zu unseren Angeboten und auch der Schutzraum den wir als Verein für viele unsere Mitglieder darstellen, gute Voraussetzungen sind, sich mit diesem emotional sehr belastenden Thema zu beschäftigen und auch Menschen eine solche Erfahrung zu ermöglichen, die sich dies in anderen Kontexten möglicherweise nicht trauen oder auch nicht leisten könnten. So war es uns im Vorfeld wichtig, eine Reise anzubieten, deren Teilnahmebeitrag niemanden ausschließt und die sich gezielt auch an Menschen mit unterschiedlichem Hintergrundwissen richtet. Durch die offene Diskussion von Ängsten und Befürchtungen, aber auch der Beweggründe zur Teilnahme an der Reise konnten die Teilnehmer*innen schon im Vorfeld der Reise besprechen, wie zum Beispiel mit belastenden Situationen vor Ort umgegangen werden sollte.

Das von drei Mitgliedern unseres Vereins erarbeitete Programm der viertägigen Reise umfasste neben dem Besuch der Gedenkstätten in Oświęcim, Führungen durch zwei  Friedensdienstleistende in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte, einen Reflexionstag sowie eine historische Stadtrundführung durch die Altstadt Krakaus und das ehemalige jüdische Viertel Kazimierz.

Die Führungen durch das Stammlager Auschwitz I und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau waren extrem bedrückend. Der Umfang der perfiden NS-Maschinerie, die in so vielen Details ruhende Menschenfeindlichkeit und die industrielle Vernichtung der Deportierten werden hier so drastisch vor Augen geführt – und doch reicht die Vorstellungskraft auch nach dem Besuch nicht aus, sich vorzustellen, was in Auschwitz und so vielen anderen Lagern und Ghettos der NS-Diktatur passiert ist und wie Menschen in der Lage waren, anderen dieses unfassbare Leid anzutun. Die Baracken, das hämische Eingangstor „Arbeit macht frei“, der Folterkeller, die Erschießungswand, die Gaskammern und die Berge von Haaren, Schuhen, Kinderkleidern und Kämmen haben sich uns allen ins Gedächtnis gebrannt.  Ebenso die unzähligen Baracken und die Bahngleise, auf denen die Güterzüge mit über 1,5 Millionen Menschen ankamen, die in Auschwitz ermordet wurden. Auch wenn man die Zahlen und Fakten kennt, ist das eigene Sehen dieser Zeugnisse des Holocausts kaum zu ertragen.

Um so wichtiger war es für uns die erschütternden Eindrücke dieser Führungen gemeinsam einzuordnen. Hierfür war die Zusammensetzung unserer Reisegruppe aus Menschen, die grundlegend dieselben Werte teilen und sich gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung einsetzen sicherlich förderlich, da wir in diesem vertrauten Schutzraum über unsere Gedanken und Gefühle offen sprechen und uns darüber austauschen konnten, was wir persönlich zur Erinnerungsarbeit beitragen wollen.

Wir hoffen sehr, zukünftig weitere Bildungsreisen unternehmen und damit noch mehr Menschen erreichen und auch für aktuelle Problematiken sensibilisieren zu können. Auch wollen wir es anderen Vereinen ans Herz legen, die gemeinsame – wenn auch bisweilen nur sportliche – Verbundenheit ihrer Vereinsmitglieder zu nutzen, auch schwere Themen aufzugreifen, sich dort gesellschaftspolitisch zu engagieren, wo die Menschen sind und durch die Angebote dort, wo man sie vielleicht gar nicht erwartet, das Erinnern ins Bewusstsein zu bringen.

Die hier präsentierten Bilder sind Ergebnis einer Fotoausstellung der Teilnehmer*innen der Gedenkstättenreise. Jede*r war aufgerufen, ein Bild auszuwählen, welches ihn oder sie besonders berührt, welches besonders im Gedächtnis geblieben ist und mit eigenen Gedanken zu versehen.

„Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis etwa anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas.“

© Olivier Guillon/Roter Stern Kickers | Wie will man jemandem erklären wie die Reise gewesen ist? Verzweifelt habe ich versucht wiederzugeben wie es mir ergangen ist, was ich gesehen und gefühlt habe. Aber gefühlt ist es nicht gelungen die Ambivalenz auszudrücken. Eine wundervolle, achtsame Gruppe mit tollen Ideen, eine vielfältige schöne Stadt und unbeschreibbare Traurigkeit, Ohnmacht aber auch Wut.
© Olivier Guillon/Roter Stern Kickers | Eine Reise und eine Erfahrung die so unwirklich, bewegend und so wenig greifbar ist wirft so viele Fragen auf und löst in mir eine Flut an Gefühlen aus die für eine so kurze Zeit gar nicht zu verarbeiten sind. Trauer und Mitgefühl für die Opfer, Dankbarkeit und Geborgenheit für und in der Reisegruppe, Wut und Hass auf die Täter. Auch Monate nach der Reise bleibt aber fast täglich die Ohnmacht und der Schmerz über das gesehene und eine stechende Frage in meinem Kopf: Wie kann der Mensch so etwas tun ?
© Olivier Guillon/Roter Stern Kickers | Selbst an dem Ort wo Unmenschliches passiert ist, von Menschen ausgeführt, ist das Ausmaß nur schwer begreiflich. Immer wieder die Frage, wie können Menschen anderen Menschen so etwas antun? Wie konnte so viel Grausamkeit möglich sein? Gefühle von Sprachlosigkeit, Traurigkeit, Wut und Unverständnis darüber, dass es auch heute weiterhin Menschen gibt, die in die gleiche Richtung denken und handeln. Ich habe an der Gedenkstättenfahrt teilgenommen, weil ich es wichtig finde, dass dieser Teil der Geschichte niemals in Vergessenheit gerät und aus der Vergangenheit zu lernen und dies auch an jüngere Generationen weiterzutragen. Kein Vergeben, kein Vergessen!
© Olivier Guillon/Roter Stern Kickers | In ganzen Welt ARBEIT MACHT JA FREI außer in Auschwitz ARBEIT BRINGT TOD
© Olivier Guillon/Roter Stern Kickers | Wir gingen auf die "Rampe", wo ein Bahnwaggon stand, wie er früher von den Nazis zum Transport von Menschen genutzt wurde. Dieser Ort hat mich emotional sehr getroffen. Für mich hat sich an dieser Stelle ein Kreis geschlossen. Ich war letztes Jahr an dem Denkmal Hannoverscher Bahnhof in der Hamburger Hafencity. Dort begann für viele Menschen die schreckliche Reise in die Konzentrations- und Vernichtungslager wie z. B. auch Auschwitz-Birkenau. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie schrecklich die Transporte für all die Menschen gewesen sein mussten. Die Schilderungen von Zeitzeugen zu den Transportbedingungen damals haben mir auf jeden Fall gereicht. Kaum Platz, keine Privatsphäre und extrem mangelhafte Verpflegung, es muss furchtbar gewesen sein!
© Olivier Guillon/Roter Stern Kickers | Die Porträtaufnahmen der Häftlinge geben den Zahlen, von denen ein Besuch in Auschwitz bestimmt wird, ein Gesicht. In manchen sieht man blanke Angst, Verzweiflung, Trauer, in anderen noch Widerwille, sich diesem Grauen nicht zu beugen. Mich haben diese Aufnahmen auch deshalb sehr bewegt, weil sie zeigen, wie akribisch und bürokratisch der Massenmord organisiert wurde. Die Einzelaufnahmen wirken da wie Spott. Denn die Menschen werden bei ihrer Ankunft schon lange nicht mehr als Individuen betrachtet. Die Vernichtung folgt einem Plan. Sie steht im Vordergrund. Nicht die abgebildeten Menschen.
© Olivier Guillon/Roter Stern Kickers | Auf der Fotografie von 1944 ist die Selektion auf der Rampe von Auschwitz-Birkenau zu sehen. Ein Lagerarzt zeigt mit einer einfachen Handbewegung, ob die Neuankommenden sofort in die Gaskammern geschickt werden oder noch zur Arbeit im Konzentrationslager gebraucht werden können. Mich hat der Gedanke lange beschäftigt, ob dieser Arzt sich als Mörder beschreiben würde. Er steht doch nur da. Macht nur einen Wink nach rechts.